Donnerstag, 14.02.2019

Die Frau trägt eine Brille mit dicken Gläsern, so dass ihre Augen ganz klein wirken. Und trotz dieser Brille kneift sie jetzt die Augen zusammen, als würde sie schlecht sehen. Ihre Haare müssen einmal blond gewesen sein und nun sind sie eine Mischung aus Grau, Weiss und gefärbten Mèches. Sie setzt sich nahe beim Ruder auf die Bank. Ich lege ab.

„Herrlich, dieser Tag. Man riecht den Frühling. Ich habe bereits Winterlinge, Schneeglöckchen und Zeitröseli gesehen. Da oben. An den sonnigen Plätzchen in den Gärten. Zwei Tage schönes Wetter reichen diesen Pflänzchen schon, damit sie blühen.“
Sie blinzelt in die flach scheinende Sonne und glitzernde Aare. Geblendet schliesst sie die Augen.
„Was sind Zeitröseli?“, frage ich.
„Huflattich auf gut Deutsch. Oder Lateinisch: Tussilago Farfara. Ein ganz schönes Pflänzchen. Tabakkraut wird es auch genannt.“ Während sie mir das erklärt, hält sie die Augen geschlossen.
„Kann man das Kraut rauchen, dass es so heisst?“
„Keine Ahnung. Ich habe es nie versucht.“
Den Rest der Fahrt schweigen wir. Ich lege an, die Frau steigt aus und ich will wieder ablegen. Da bleibt die Frau auf der Treppe stehen.
„Hören sie dieses Lied? Das ist die Wasseramsel. Klingt manchmal wie eine Feldlerche.“
Sie lauscht weiter und ich halte in meiner Bewegung inne, um die Frau, oder den Vogel, oder beide, nicht zu stören. Die Wasseramsel sitzt auf ihrem Stein, etwa dreissig Meter stromaufwärts. Manchmal wippt sie auf und ab, als wolle sie einen bestimmten Ton unterstreichen.

Der Huflattich (Tussilago farfara)

Herr Kehrli von der Bauverwaltung Muri ruft an. Ob ich einen Keramikkochherd erhalten habe, will er wissen.
„Ja, haben wir. Der alte Kochherd im Fährhaus hatte vor Weihnachten den Geist aufgegeben.“
„Das ist schon in Ordnung. Aber ich habe da eine Rechnung vor mir. Von Meierhofer-Haushaltapparate. Die war adressiert an das Fährhaus, Bodenacker in Muri. Die Rechnung hat eine lange Reise gemacht. Zuerst ins Fähribeizli. Da wurde sie irrtümlich bezahlt. Als sie es bemerkten, hat ihnen Meierhofer den Betrag zurückerstattet und eine neue Rechnung an die Gemeindeverwaltung gesendet. Sie ging dann durch die Verwaltung und hat ein paar Stempel abgekriegt von verschiedenen Abteilungen und weil sich dann jemand erinnerte, dass ich damals das neue Fährhaus organisiert hatte, landete die Rechnung auf meinem Tisch. Bin ich der erste, der ihnen deswegen anruft?“
„Soviel ich weiss schon. Ich bin nicht immer hier.“
„Ja, also. Wenn das so ist“, ich konnte das verständnislose Kopfschütteln von Herrn Kehrli beinahe hören.
„Vermutlich muss der Werkhofleiter die Rechnung quittieren“, sage ich,  „ich habe bei ihm den Auftrag bewilligen lassen. Das Kochfeld sollte zwischen 800 und 1’000 Franken kosten.“
„743 Franken und 30 Rappen.“
„Das ist ja günstiger, als angenommen.“
„Hm“, überlegt Herr Kehrli, „dann bringe ich die Rechnung direkt dem Chef.“
„Dem Amtsvorsteher?“
„Ja.“
„Der weiss auch Bescheid.“
„Ja Herrgottdonner. Wo ist dann das Problem?“, poltert Herr Kehrli los und fasst sich sogleich wieder. „Also. Ich bringe die Rechnung dem Chef. Übrigens, sie kenne ich nicht persönlich, oder?“
„Nein, ich bin erst ein Jahr hier angestellt.“
„Ich kenne nur noch den Beni. Ich muss mal wieder vorbeikommen und schauen wie es dem Häuschen geht.“
„Wann wurde es denn gebaut?“, frage ich.
„Etwa vor zehn, zwölf Jahren. Moment, warten sie, ich bin gerade am PC und schaue nach.“ Es bleibt eine Weile still. Dann auf einmal:
„Donnerwetter, 2001! Achtzehn Jahre. Das gibt es doch nicht.“ Er erzählt mir, dass beim Budget für das Häuschen gespart wurde. Deshalb wurde es aus den Fertigelementen einer provisorischen Poststelle gebaut, die aufgelöst wurde. Secondhand. Supergünstig und vom alten Fährhaus habe er einiges gezügelt und wieder eingebaut. Zum Beispiel die Eingangstüre mit dem Katzentürchen. Auch wenn es keine Katze mehr gab. Und eben auch der Kochherd.
„Ja, jetzt ist der halt kaputt gegangen. War ja auch Zeit.“

Wasserdaten um 16.50 Uhr:

  • Abflussmenge: 53 m3 pro Sekunde
  • Wasserstand: 501.60 m ü. M.
  • Temperatur: 6.3 Grad Celsius (um 09.10 Uhr: 4.2 Grad Celsius)

Auf dem Titlis liegen 625 Zentimeter Schnee.