Montag, 20.08.2018

Messdaten um 15.30 Uhr:

  • Wetter: strahlend schön, wolkenlos
  • Temperatur Luft: 27.2 Grad Celsius
  • Temperatur Wasser: 22.0 Grad Celsius
  • Windstill. Morgens leichter Wind von Südwest

Ich steige nach einer Fahrt am späten Nachmittag die Treppe hoch. Vor der Informationstafel steht ein Paar und liest. Der Mann hat sowohl Bart wie Schädel rasiert, trägt ein weisses Hemd und seine Hand liegt auf der Hüfte seiner hübschen Frau. Ihr fülliges, dunkles Haar hat sie hochgesteckt und sie lehnt ihren Körper an die Brust ihres Mannes.

„Wollt ihr fahren?“, frage ich sie.
„Comment?“, sagt die Frau. Ich stelle die Frage auf Französisch.
„Ah, nein. Ich glaube nicht, oder Chéri?“
Der Mann hebt die Schultern: „Wir haben uns gefragt, wohin die Fähre fährt. Das steht hier nirgends, oder?“
„Sie fährt auf die andere Seite“, sage ich.
„Was! Das ist nicht wahr! Nur auf die andere Seite?“ lacht er.
„Nur auf die andere Seite“, bestätige ich, „aber das kann sehr weit sein.“
„Das ist wahr“, sagt er, überlegt kurz und sagt zu seiner Frau:
„Wir fahren mit. Was meinst du?“
„Ist es schön auf der anderen Seite?“, fragt die Frau.
„Ja, sicher. Es ist an der Aare. Jetzt liegt der Weg im Schatten der Bäume und das ist angenehm bei diesen Temperaturen.“
Die beiden schauen sich an, er bezahlt die Fahrkarten und sie steigen ein.
„Warum sprechen sie so gut französisch?“, fragt mich die Frau.
„Ich bin Bilingue aufgewachsen. Meine Mutter war aus Neuchâtel.“
„Dann hätten sie ja mit uns im Beizli den Apéro nehmen müssen.“
„Oh nein, das geht leider nicht. Bei der Arbeit gilt 0 Promille. Und es ist zu früh.“
„Aber doch nicht für jemanden aus Neuchâtel!“, bedient der Mann schmunzelnd das Klischee.
„Sie haben Recht, verlockend wäre es schon gewesen.“
„Passen sie auf. Vielleicht bin ich von den Behörden und prüfe wie seriös unsere Beamten sind. Sie sind doch Beamter, oder?“
Ich überlege: „Vermutlich schon.“
Ich lege auf der anderen Seite an und wir schwatzen noch weiter, während die neuen Gäste einsteigen, über das schöne Neuchâtel und seinen See.
„C’était un plaisir“, verabschieden sich die beiden. „Wir werden wieder kommen. Mit einem Apéro.“

Namen von Dauergästen kenne ich nur wenige. Dauergäste sprechen aber mit ihren Hunden. Namen der Hunde:

  • George (Basset)
  • Eros (Pudel)
  • Juweli (Boxer)
  • Vasco (Pudel)
  • Rex (Deutscher Schäferhund)
  • Tembo (Strassenmischung, bedeutet Elefant)
  • Mira (Terrier)
  • Amy (Brauner Labrador)
  • Gaja (Schwarzer Labrador)
  • Amelie (Strassenmischung)
  • Amor (Mops)
  • Baby (Deutsche Dogge)

Andere nennen ihre Hunde nicht beim Namen, sondern sagen:

  • Schätzeli
  • mis Beebeeli
  • Süesses
  • Vättu

Am Nachmittag läutet Igor auf seinem Fahrrad. Sein Haar ist gewachsen. Es ist grau, was mir beim Millimeterschnitt nicht aufgefallen war.
„Hallo Igor“ begrüsse ich ihn und ziehe die Knipszange aus der Tasche.
„Hallo Dänu. Nicht die Zange. Heute bezahle ich bar.“
Er zückt seine Brieftasche und schaut hinein: „Oh, blöd, ich habe nur 2 Franken und eine 200-Franken Note.“
„2 Franken ist okay“, sage ich und schenke ihm die Karte für das Fahrrad.
„Danke. Das weiss ich zu schätzen.“ Er steckt die Brieftasche wieder ein und fragt: „Wie geht es dir?“
Seine Frage überrascht mich. „Mir geht es gut. Und dir.“
„Gut, danke. So, dieses Wochenende habt ihr Konzert. L’Heure Bleue. Ich habe deinem Kollegen schon gesagt, wäre super, wenn er es einfach mal unangekündigt machen würde. Einfach so. Mitten auf der Aare. Er mit seinem Kontrabass. Wer dann gerade da ist, hat das Glück ihn zu hören. Das wäre viel mystischer.“
Igor sitzt breitbeinig auf der Fähre, lehnt locker über seinem Fahrrad, lässt seine Hände baumeln, nur sein rechtes Bein zittert hin und wieder nervös auf den angespannten Zehenspitzen.
„Schöne Farbe hat die Aare“, fährt er fort. „Meine Freundin hat eine neue Wohnung. Bisher war sie in einer Wohngemeinschaft. Und ich habe es ihr immer gesagt, wenn du mal eine eigene Wohnung hast, mach ich das. Bei der Wohnungsübergabe am frühen Morgen war ich dabei. Dann sagte ich ihr Tschüss und sie ging arbeiten und ich habe mit einem Kollegen zwei Wände farbig gestrichen. Aaregrün. Es ist eine helle Wohnung, das war wichtig für diese Farbe. Damit das wirkt. Am Abend, als sie nach Hause kam, waren wir fertig. Sie war baff. Sieht mega schön aus.“
Beim Abschied gibt mir Igor die Hand, wünscht mir einen schönen Tag und sagt: „Vielleicht bis später. Aber vielleicht fahre ich auch woanders durch.“