Mittwoch, 04.07.2018

Ein hagerer, älterer Herr, schütteres Haar, rotes Hemd, steigt auf der Wabernseite ein. Er ist der einzige Passagier auf dieser Fahrt. Ich bleibe einige Momente in der Mitte der Aare stehen und warte auf die Durchfahrt von fünf Schlauchbooten.
„Ich erinnere mich gut. Neunzehnhundertfünfzig. Oder Einundfünfzig. Ich war ein kleiner Junge, bin da drüben in Wabern aufgewachsen. Die alte Holzfähre. Dürftig sah die aus. Sie wurde noch privat betrieben und der Fährmann sass im Beizli und wartete auf die Gäste. Vor sich ein leeres Glas. Die Fähre war oft geschlossen. Ich weiss nicht ob es überhaupt einen Fahrplan gab. Dann war meine Mutter auf einmal tot.“

Ich kann gar nichts erwidern, so vertieft ist der Mann in sein Selbstgespräch.
„Mein Vater ist darauf weggezogen. Er hielt es nicht aus, in der Wohnung. Und ich mit ihm. So war das nun mal.“
Am frühen Nachmittag steigt er wieder auf die Fähre. Sein Gesichtsausdruck ist heiter.
„Saugut das Essen. Und so modern. Arbeiten sie neu hier?“
„Ja. Es ist mein vierter Monat.“
„Sie sind ja noch jung“, sagt er und zwinkert mir schalkhaft zu.

Am Nachmittag kommen auf der Wabernseite die vier Jungs in Badehosen wieder, die bereits am Sonntag da waren. Sie sind etwa fünfzehn jährig und voller Energie. Wie am Sonntag fragen sie mich erwartungsvoll, ob sie von der Fähre bei der Überfahrt in die Aare springen dürfen. Am Sonntag hatte ich zu viele Gäste und ich lehnte ab. Heute wäre es eine Leerfahrt zurück und ich willige ein. Ihre Gesichter glänzen vor Freude.
„Auf eigene Gefahr“, sage ich, „und ihr habt sozusagen dazu ein Formular unterschrieben.“
Sie lachen und steigen ein.
„Und nur auf der Aare-Abwärts-Seite springen“, sage ich, „weg vom Ruder.“
Ich lege ab und sie steigen auf die Sitzbank, stehen angespannt da und warten.
„Jetzt?“, fragt vermutlich der Jüngste.
„Nein, warte noch… warte… warte… jetzt! Du zuerst!“
Einer nach dem anderen springt ins Wasser. Sie jauchzen und schreien. Ich sehe ihre Figuren wie kurze stehende Bilder in der Luft, bevor sie im Wasser eintauchen. Es schaut aus wie ein Feuerwerk. An beiden Ufern stehen Leute und schauen zu. Auf der Terrasse im Fähribeizli sind einige Gäste von ihren Tischen aufgestanden und schauen zu. Auf allen Gesichtern ist ein Lächeln zu sehen.
Kann man nach dieser Unbeschwertheit und solchen Momenten Heimweh haben?

Wochenabrechnung, Transportumfang Woche 26:

  • 903 Erwachsene
  • 151 Kinder, Hunde oder Fahrräder
  • 18 Mehrfahrtenkarten
  • Total Einnahmen: 2’317 Franken